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CO2 Ausgleichszahlung so geht es effektive

·8 min
Carbon Offsetts Nachhaltigkeit - Helikopterperspektive

Im letzten Artikel haben wir uns die Probleme von CO2-Zertifikaten und Carbon Offsetting angeschaut. Heute möchte ich weniger meckern und mehr darüber sprechen, wie Unternehmen, Organisationen und auch Privatpersonen Carbon Offsetting sinnvoll nutzen können, um wirklich etwas zu bewirken.

Matching of Carbon Offsets Problsm and Solution

TL;DR Die sehr kurze Kurzversion
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Carbon Offsetting hat viele Probleme, aber es gibt Wege, wie Unternehmen und Privatpersonen es sinnvoll nutzen können.

  • Vergesst “Net-Zero” und “Combansation Claims”,
  • setzt auf “Climate Contribution” und interne CO2-Preise.
  • Kauft hochwertige Zertifikate oder solche vom EU Emissionshandel (ETS), um echte Emissionsreduktionen zu erzielen und die Lernkurve von Dekarbonisierungstechnologien zu beschleunigen.

Zur Erinnerung, hier sind die größten Probleme des aktuellen Carbon Markets:

  • Carbon Offsets halten oft nicht, was sie versprechen.
  • Es gibt Rebound-Effekte.
  • Er bremst die Lernkurve von Dekarbonisierungspraktiken.

Diese Probleme sind so gravierend, dass man meinen könnte, wir sollten Carbon Offsetting komplett einstellen. Aber es gibt Wege, wie Ausgleichszahlungen für verursachte Emissionen tatsächlich einen positiven Effekt haben können.

Mehr und/oder Bessere Zertifikate Kaufen
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Eines der Hauptprobleme des unregulierten Zertifikatehandels ist, dass Carbon Offsets (häufig) nicht halten, was sie versprechen, und weniger CO2 reduzieren. Eine pragmatische Antwort auf dieses Problem:

  • a) Nur Zertifikate mit den höchsten Standards kaufen (welche häufig wesentlich teurer sind) - dazu zählt auch sicherzugehen, dass die Standardsetzer auch wirklich unabhängig sind von den Projektbetreibern und Händlern.
    • Leider ist dies im “freiwilligen” unregulierten Markt nicht immer der Fall und bedeutet so ganz schön Aufwand, dies herauszufinden.
  • b) Einfach mit ordentlich Puffer mehr Zertifikate kaufen.
    • Als Beispiel: Wenn Untersuchungen zeigen, die Zertifikate reduzieren im Schnitt nur die Hälfte von dem, was sie versprechen - nun, dann kauft man halt doppelt so viel. Dies löst logischerweise keinerlei Ursachen für das Problem, warum die Zertifikate nicht das halten, was sie versprechen.

Ein anderer Ansatz ist, CO2-Zertifikate vom europäischen Emissionshandel zu kaufen (ich werde einen gesonderten Beitrag darüber schreiben). Aber in aller Kürze: im europäischen Emissionshandel müssen Sektoren, welche besonders viele Emissionen verursachen, also Energieerzeuger, Wärme, Flugverkehr, und ab 2024 auch der Verkehr und Gebäude, müssen für alle Emissionen, welche sie direkt verursachen, ein vom europäischen Emissionshandel ausgegebenes Zertifikat/Emission Allowance (hier eine verbrieften Lizenz, Emissionen zu verursachen) vorweisen können.

Bisher wurden sehr viel mehr Zertifikate an Unternehmen ausgegeben, als benötigt war - weshalb der Zertifikatpreis auch sehr, günstig war und so keine/kaum Lenkungswirkung erzielt werden konnte. In gewisser Weise war der ETS ein zahnloser Tiger.

Jetzt jedoch kommen wir in eine Phase, in der die Menge der Zertifikate, die jährlich ausgegeben wird, immer weiter reduziert wird und Knappheit am Markt entsteht. So steigt der Preis für die Zertifikate, weshalb es für Unternehmen attraktiver wird, ihre Emissionen zu reduzieren, um geringere Ausgaben zu haben. Diesen Anreiz können private Personen und Unternehmen, die nicht Teil vom ETS sind, vergrößern, indem sie ebenfalls Zertifikate von diesem Pool kaufen.

  • Wieso ist dieser Ansatz jetzt besser als freiwillige Kompensationsprojekte?
    • Der Markt ist reguliert - das heißt, jedes Zertifikat ist wirklich eine Tonne wert und ist der Punkt erreicht, dass es mehr Nachfrage nach Zertifikaten gibt als Angebot. So führt das Kaufen eines Zertifikates gesichert dazu, dass eine Tonne weniger verursacht wird.
    • Bleibt das System bestehen, wird so auch sichergestellt, dass wir innerhalb der Grenzen des EU-Emissionshandels wirklich auf 0 Emissionen kommen.
    • Es wirkt auch auf die Problematik der bremsenden Lernkurve ein, da mit dem steigenden Preis es sich immer mehr für Unternehmen rechnet, zu reduzieren und zu vermeiden, als zu kompensieren.
      • Als Beispiel: Stellen wir uns ein Unternehmen in der Stahlindustrie vor, ein Sektor, der mit hohen CO2-Emissionen verbunden ist. Steigen die Preise für Emissionszertifikate im Rahmen des EU-Emissionshandelssystems (ETS) und dem Wissen, dass in absehbarer Zukunft keine Emissionen mehr möglich sein werden, steigen die Anreize, in grünen Stahl zu investieren, welcher durch den steigenden Preis der Zertifikate und der sich beständig verringernden Anzahl an Zertifikaten immer ökonomisch sinnvoller und irgendwann (so wie Solarenergie heute schon ist) kostengünstiger sein wird als Stahl, der mit fossilen Energiequellen hergestellt wird.
      • Durch diese Investition in emissionsreduzierende Technologie kann das Unternehmen langfristig seine Ausgaben für den Kauf zusätzlicher Emissionszertifikate erheblich senken. Darüber hinaus trägt es aktiv zur Innovation und zum technologischen Fortschritt in seiner Branche bei. Der steigende Preis für Emissionszertifikate hat somit einen direkten Einfluss auf die Entscheidung des Unternehmens, in nachhaltigere Produktionsmethoden zu investieren, und wirkt sich so zusätzlich positiv auf die Lernkurve aus.

Rebound Effekte: Vergesst “Net-Zero”
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Ein großes Problem des unregulierten freiwilligen “tonnen-basierten” Carbon Markets sind die sogenannten Rebound-Effekte. Diese Effekte unterminieren teilweise oder vollständig die Bemühungen zur Reduzierung von Kohlenstoffemissionen. Ein typisches Beispiel: “Jetzt habe ich meinen Flug schon kompensiert, also kann ich nochmal fliegen oder mehr Auto fahren.” Besonders fatal wird es, wenn die Reduktionsprojekte nicht so viel reduzieren, wie sie vorgeben.

Was können wir dagegen tun? Mein Vorschlag: Vergesst “Net-Zero”.

Net-Zero ist ein Konstrukt, das es Unternehmen ermöglicht, business as usual weiterzumachen und gleichzeitig zu behaupten (und massiv zu bewerben), dass sie nicht weiter zum Klimawandel beitragen, weil alle Emissionen kompensiert wurden. Der Slogan Net-Zero vermittelt natürlich ein viel besseres Gewissen als die Aussage “Wir haben in den letzten zwei Jahren real 12% CO2 eingespart”, obwohl Letzteres eine viel wichtigere Nachricht ist.

Die Hauptkritik an Net-Zero ist für mich jedoch, dass nur durch den Claim Net-Zero die Existenz eines tonnenbasierten Kompensationsmarktes erst Sinn ergibt. Durch diesen können Unternehmen sich günstig ein grünes Image erkaufen, ohne ihr Verhalten wirklich ändern zu müssen. Er ermöglicht sich als Unternehmen zu entscheiden ob man die eigene Art und Weise wie gewirtschaftet wird (und seinen Beitrag zur Klima-Krise hat) umzustellen oder für vergleichsweise wenig Geld den scheinbar gleichen Effekt zu erzielen. Net-Zero kann ein falsches Gefühl des Fortschritts erzeugen, wodurch notwendige systemische Änderungen zur Reduzierung der Emissionen an der Quelle vermieden werden. Dies kann den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft verzögern Anderson, K., & Peters, G. (2016).

Zudem adressieren Low-Cost-Compensation-Projekte nicht die eigentlichen Ursachen der Kohlenstoffemissionen und führen oft zu kurzfristigen Lösungen statt langfristigen. Dieser Ansatz ist unzureichend, um die tiefgreifende Dekarbonisierung zu erreichen, die notwendig ist, um das 1,5°C-Ziel zu erreichen Shishlov, I., et al. (2016). Jedoch sind es genau diese Projekte die auf dem freiwilligen/unregulierten Carbon Markt erfolgreich sind.

All dies macht Net-Zero zu einem vergifteten Apfel, der zuerst lecker schmeckt und gesund scheint, sich jedoch zu einer echten Lebensmittelvergiftung entwickeln kann. Ich möchte jedoch erwähnen dass mir keine Studien oder Untersuchungen bekannt sind, die analysieren wie groß der Effekt des Konstrukts Net-Zero ist. Ich kann deshalb nur mutmaßen, inwieweit Rebound-Effekte reduziert werden. Doch basierend auf der Argumentation würde ich den Standpunkt vertreten, dass Net-Zero diese Effekte auf jeden Fall verstärkt. Dass sie komplett verschwinden, wäre vermessen und eher Wunschdenken.

Verzögerte Lernkurve: Vergesst “Net-Zero” Die Zweite Und Hallo “Climate Contribution” + Internal Carbon Price
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Die für mich fundamentalste Kritik am freiwilligen (“voluntary”) Carbon Market ist, dass er die Lernkurve von Dekarbonisierungstechnologien und -prozessen verzögert. Wie im vorherigen Kapitel erläutert, trägt das Konzept von Net Zero zu dieser Verzögerung bei. Der freiwillige Carbon Market basiert auf tonnenbasierten Reduktionszertifikaten. Dies wird als “Compensation-Claim” bezeichnet: “Ich bin Net Zero, weil ich jede Tonne, die durch meine Tätigkeiten emittiert wurde, kompensiere”. (Note: dies hängt jedoch stark davon ab, was alles in den Carbon-Footprint einbezogen wird, aber dies ist ein eigenes Thema!) Dies führt dazu, dass die billigsten Reduktionsprojekte bevorzugt werden, die jedoch nicht ausreichen, um die Problematik der globalen Dekarbonisierung zu lösen. Stattdessen bekämpfen sie lediglich Symptome, ohne die Ursachen anzugehen. Es ist, als würde man die Hand immer näher ans Feuer halten und Wasser darauf gießen, um die Hitze zu mildern, ohne das Feuer zu löschen oder die Handposition und -bewegung zu ändern. Net Zero wäre in diesem Bild, dass genug Wasser auf die Hand geschüttet wird, damit sie sich nicht verbrennt. Allerdings gibt es nicht genug Wasser, um dies dauerhaft und für die gesamte Gesellschaft als wirksame Methode zu gewährleisten, insbesondere weil die Hand immer näher ans Feuer geht.

meme hand brennt

Bleiben wir kurz in der Metapher - was müssen wir also tun, um unsere Handbewegungsrichtung zu verändern (das Feuer können wir nicht realistisch ändern, weil es in dieser Metapher die Sonne mit ihrer globalen Strahlung ist)?

  • Wir müssen eine andere Bewegung lernen und unsere Muskeln entsprechend trainieren. Und wie man vom Training weiß, ist der Anfang besonders schwer.
  • Übertragen bedeutet dies, wir müssen Projekte fördern, die den Lern-Effekt unterstützen und somit besser und günstiger CO2 reduzieren.
  • Um dies zu ermöglichen, schlagen verschiedene Akteure sogenannte “Climate Contribution” newclimate.org vor, die auf internen CO2-Preisen basieren.
  • Was heißt das konkret: Ähnlich wie beim Compensation-Claim erstellt man einen CO2-Fußabdruck und für jede emittierte Tonne zahle ich eine Menge X (der interne CO2-Preis) in einen Topf. Dieses Geld kann ich für drei Dinge verwenden:
    • Interne Projekte (also in die eigene Dekarbonisierung zu investieren) umzusetzen.
    • Zertifikate vom Emissionshandelssystem (ETS) zu kaufen (siehe erstes Kapitel). Dies ermöglicht es, die regulierten Marktmechanismen des ETS zu nutzen, um eine breitere und systemischere Wirkung zu erzielen. (Dieser Ansatz wird in einem folgenden Artikel genauer beschrieben und dann hier verlinkt.)
    • Oder in externe Projekte, welche zur systemischen Dekarbonisierung beitragen (z.B. Wärmeerzeugung in Ländern des globalen Südens).
  • Für diejenigen, die interne Reduktionsmöglichkeiten basierend auf vorhandenen Ressourcen ausgeschöpft haben und denen die Auswahl der richtigen Projekte zu viel Arbeit ist (wie für mich), empfehle ich Option 2. Ein Anbieter (ich bekomme keine Provision, es ist nur der einzige, den ich kenne) ist compensator.org.

Wichtig ist das egal wieviele Zertifikate man hier kauft oder Projekte fördert man ist nur dann Klimaneutral wenn man wirklich keine Emissionen mehr verursacht!

Zusammenfassung
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  1. Vergesst “Net-Zero”: Es schafft ein falsches Gefühl von Fortschritt, verstärkt Rebound Effekte und verzögert notwendige systemische Veränderungen weil das ziel der Klimaneutralität über tonnenbasierte Reduktionsprojekte günstiger erreichbar ist.
  2. Nutzt “Climate Contribution Claims”: Investiert in interne Projekte, kauft ETS-Zertifikate oder unterstützt externe Projekte zur systemischen Dekarbonisierung.
  3. Kauft ETS-Zertifikate: Der regulierte Markt garantiert (ba, dass eine Tonne CO2 weniger emittiert wird.

Mit diesen Ansätzen können wir sicherstellen, dass Carbon Offsetting tatsächlich einen positiven Effekt hat und zur globalen Dekarbonisierung beiträgt.

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