- Die Kosten des privaten Autobesitzes sind viel höher als die Gebühren und Steuern, die von den Fahrzeugbesitzern gezahlt werden (z.B. für die Straßeninfrastruktur, öffentliche Parkplätze, Umwelt-Luft- und Lärmbelastung, mögliche Folgen des Klimawandels, aber auch Unfälle oder andere gesundheitliche Schäden).
- Diese Kosten werden häufig unterschätzt.
- Diese Kosten werden von den “weniger als durchschnittlichen Fahrern”, Bewohnern ohne Auto und der zukünftigen Gesellschaft getragen.
- Die Lock-in-Effekte des Autos (bestehende Infrastruktur, mangelnde Mobilitätsalternativen, relativ niedrige variable Kosten des Autos)
- a) setzen falsche Anreize für die Automobilität und
- b) führen dazu, dass je geringer das Einkommen, desto stärker die Haushalte von den Autokosten belastet werden.
Mein erster Artikel/Beitrag hier auf dieser Website ist eine Zusammenfassung des open-access Articles von Gössling Kees und Litman The lifetime cost of driving a car | Elsevier Enhanced Reader. Ein Artikel der die Kosten von dem Besitz und der Nutzung von Autos in Deutschland analysiert. Aus diesem Artikel möchte ich die meines Erachtens sechs wichtigsten Aspekte mit euch teilen.
Grundsätzlich lassen sich die Kosten eines Autos in zwei Kategorien einteilen a) Private Kosten also jenen die von den Autobesitzenden getragen werden und soziale Kosten also jene die von der Gemeinschaft getragen werden.
Die realen privaten Kosten für ein Auto werden unterschätzt#
Die privaten/individuellen Kosten eines Autos werden oft unterschätzt. Eine weitere Studie (Nature 580, 453-455 (2020)) zeigt, dass viele Individuen primär die variablen Kosten wie Tanken und Reparaturen berücksichtigen und im Durchschnitt die realen Kosten um über 50% unterschätzen. Darüber hinaus werden Kosten fürs Parken oder durch Stau ebenfalls vom ADAC nicht berücksichtigt. Laut der Studie sind die privaten Kosten eines Autos um 12-15% höher als die Daten vom ADAC.
Obwohl diese Erkenntnisse beeindruckend sind, ist ihre gesellschaftliche Relevanz erstmal begrenzt, da Autobesitzer nur glauben, dass die Kosten geringer sind jedoch für die Kosten aufkommen. Aus verhaltenspsychologischer Sicht ist der Unterschätzungseffekt jedoch relevant, da so der Kostenvergleich zwischen dem Autobesitz und anderen Optionen wie öffentlichem Nahverkehr oder Carsharing schlechter ausfällt.
Lock-In Effekte des Autos#
Der Lock-in-Effekt von PKWs ist ein Phänomen, bei dem Autobesitzer:innen zunehmend auf ihr Auto als Mobilitätsmodus zurückgreifen. Dies ist auf die anfängliche Investition und die nutzungsunabhängigen Kosten zurückzuführen. Die Kosten für den Autokauf, die jährlichen Steuern und zu einem großen Teil die Versicherungskosten sind unabhängig von der Nutzung des Autos. Tatsächlich sinken die relativen Kosten pro Kilometer für diese drei Faktoren bei steigender Nutzung des Autos. Für Autobesitzer:innen ist es daher rational, das Auto zu nutzen, vor allem wenn sie vor der Wahl stehen, z.B. ob sie eine Strecke mit dem ÖPNV oder dem eigenen Auto zurücklegen. Dies ist eine psychologische Barriere für den Wechsel zu einem anderen Verkehrsmittel. Der Lock-in-Effekt von PKWs trägt wesentlich zur Verbreitung des Autobesitzes und der Autonutzung bei.
Viele Kosten die Autobesitz und Nutzung verursacht werden nicht von Verursacher:innen getragen#
Der zweite und gesellschaftlich relevantere Punkt der Studie betrachtet die sozialen Kosten des Autos. Das Argument ist (und dieses teile ich), dass viele Kosten wie kostenlose oder kostengünstige Parkplätze, Straßenbau und -instandhaltung, Umwelt-, Luft- und Lärmverschmutzung, Klimawandel und Gesundheitsschäden durch Autonutzung entstehen.
Diese Kosten die durch die individuelle Nutzung bzw. den individuellen Besitz (ein Großteil der Schadschöpfung passiert in der Produktion des Autos - auch E-Autos) werden jedoch nicht von den privaten Autobesitzenden getragen, sondern von allen. Obwohl die Kosten für Lärmverschmutzung schwer zu berechnen sind, hat die Studie mittels verschiedener Methoden einen Wert für die sozialen Kosten bestimmt. Die Ergebnisse haben mich erschreckt. Die Grafik veranschaulicht die Verhältnisse für drei Automodelle.

(Quelle - The lifetime cost of driving a car | Elsevier Enhanced Reader)
Die sozialen Kosten werden nicht von den privaten Autobesitzenden getragen, sondern von Nicht-Autobesitzenden, wenig Fahrenden und insbesondere von zukünftigen Generationen in Bezug auf die Kosten des Klimawandels.
Die Kostenverteilung des Autos ist unfair und verstärkt Ungleichheiten#
Es ist ein elementarer Teil eines sozial Staates, dass privilegierte Menschen für weniger privilegierte Menschen aufkommen, und aus meiner Sicht ist das völlig richtig. Wenn wir uns aber die sozialen Kosten des Autos anschauen, stellen wir fest, dass es nicht die privilegierten Menschen sind, die diese tragen, sondern genau umgekehrt.
Diese Aussage lässt sich vereinfacht darauf zurückführen, dass je reicher die Menschen in Deutschland sind, desto mehr Autos haben sie im Durchschnitt, und je mehr Autos ein Haushalt besitzt und nutzt, desto höher sind die Kosten, die von denjenigen getragen werden, die kein Auto haben, wenig fahren oder noch nicht Autofahren können (zukünftige Generationen). Zudem sind vor allem Menschen mit geringerem Einkommen von den sozialen Kosten wie Luft- und Lärmverschmutzung betroffen, da sie es sich nicht leisten können, in verkehrsberuhigten Gegenden zu wohnen.
Dieses Ungleichgewicht ist erheblich, vor allem wenn wir die Kosten des Klimawandels und die tragenden zukünftigen Generationen und MAPAs (Most Affected People and Areas) mit einbeziehen."
Private Autos sind fast “nicht leistbar”#
Diese These ist wirklich steil! Zum Glück kommt sie nicht von mir, sondern ist eine etwas provokante Interpretation der Analyse des Artikels. Diese Passage der Analyse hat mich wirklich überrascht. Nach dem Housing and Transportation Index liegen die Kosten für Wohnen und Mobilität unter 45% des Netto-Haushaltseinkommens, wenn sie leistbar sind. Jetzt wird es wirklich erschreckend: Die folgende Tabelle veranschaulicht sowohl die durchschnittlichen monatlichen privaten Kosten als auch die monatlichen privaten und sozialen Kosten, die Gössling et. al. für die drei Automodelle Opel Corsa, VW Golf und Mercedes GLC berechnet haben.
Monatliche… | Opel Corsa | VW Golf | Mercedes GLC |
---|---|---|---|
Private Kosten | 554,67 EURO | 636,67 EURO | 1068,70 EURO |
Private + Soziale Kosten | 944,26 EURO | 1031,02 EURO | 1508,17 EURO |
Wenn man annimmt, dass man 30 % des Nettoeinkommens für die Miete ausgibt (was als leistbar angesehen wird), bleiben noch 15 % des Nettoeinkommens für die Mobilität. Wir können also berechnen, wie viel ein Haushalt verdienen muss, damit ein Auto nach dem HT-Index leistbar ist. Wenn man die privaten Kosten von 554,67 Euro pro Monat für den Opel Corsa nimmt, muss man für dieses Auto ein Nettoeinkommen von ca. 3.700 Euro haben. Wenn der Haushalt auch die sozialen Kosten tragen würde, müsste er ein Nettoeinkommen von ca. 6.300 Euro haben, um das Auto noch leistbar zu halten. WHAT THE F***
Es ist zu beachten, dass die privaten Kosten auch geringer sein können, wenn man alte, gebrauchte Autos kauft, welche den größten Teil ihres monetären Wertes bereits verloren haben, jedoch ihren funktionalen Wert (die Möglichkeit zu fahren) beibehalten haben. Gössling et al. gehen in ihrer Analyse von einem Zyklus von alle 5 Jahren ein neues Auto aus. Trotzdem werden die Dimensionen deutlich. Hier eine Übersicht des nötigen monatlichen Nettoeinkommens, damit das Auto noch leistbar ist:
erforderliches monatliches Nettoeinkommen bei… | Opel Corsa | VW Golf | Mercedes GLC |
---|---|---|---|
20% Mietkosten 25% private Kosten | 2220 EURO | 2544 EURO | 4276 EURO |
20% Mietkosten 25% private + soziale Kosten | 3780 EURO | 4124 EURO | 6032 EURO |
25% Mietkosten 20% private | 2775 EURO | 3185 EURO | 5335 EURO |
25% Mietkosten 20% private + soziale Kosten | 4725 EURO | 5155 EURO | 7540 EURO |
30% Mietkosten 15% private Kosten | 3700 EURO | 4240 EURO | 7120 EURO |
30% Mietkosten 15% private + soziale Kosten | 6300 EURO | 6875 EURO | 10500 EURO |
Ich finde diese Zahlen ziemlich beeindruckend ….
Bekannte Vorschläge in einem anderen Licht#
Was machen wir nun mit der Analyse von Gössling et. al.? Aus meiner Sicht zeigt sie zwei sehr wichtige Dinge auf: Zum einen, wie viel individueller PKW-Besitz und -Nutzung sowohl für die Gesellschaft als auch für Privatpersonen kostet und dass die sozialen Kosten vor allem von denjenigen getragen werden, die sie nicht verursachen und zudem weniger privilegiert sind. Zum anderen wird, wenn auch weniger fokussiert, aufgezeigt, warum das Auto so stark genutzt wird (Lock-in-Effekt). Ein weiterer Faktor, der die Wahl des Autos verstärkt, ist die fehlende Attraktivität der Alternativen. Hier empfehle ich das Buch “Autokorrektur” von Katja Diehl (Kudos an dieser Stelle - danke für deine Energie!) Sie beschreibt treffend, wie die Gelbwesten-Bewegung in Frankreich ein guter Beweis dafür ist, dass die Wende hin zu einer klimafreundlichen Mobilität nicht auf Kosten der weniger privilegierten und benachteiligten Menschen gehen darf. Ich denke, dass der Dreh- und Angelpunkt der Wende die Schaffung attraktiver klimafreundlicher Alternativen zum Auto ist. Erst durch Katjas Buch habe ich mir zum ersten Mal die Frage gestellt, ob ich wirklich Auto fahren will oder ob die Alternativen miserabel sind.
Folgende Vorschläge halte ich für einen guten Schritt hin zu einer klimafreundlichen Mobilität:
- Einführung eines sinnvollen CO2-Preises mit Umlage auf private Haushalte, sodass Menschen davon profitieren, weniger Emissionen zu verursachen
- Privatisierung der sozialen Kosten der Autonutzung (Parkplatz, Infrastruktur usw.),
- Anwendung von Maßnahmen zur Förderung ressourceneffizienter Verkehrsmittel (Gehen, Radfahren, Carsharing, öffentliche Verkehrsmittel, Telearbeit)
- bessere Aufklärung über die Kosten von Privatfahrzeugen, um das Bewusstsein für die Bedeutung von fixen und variablen Kosten zu stärken und damit öffentliche und geteilte Mobilität attraktiver zu machen.